„New Yorker“-Chef schimpft auf Corona-Politik: „Alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte“

„New Yorker“-Chef Friedrich Knapp (Archivbild)

„New Yorker“-Chef Friedrich Knapp (Archivbild)

Foto: picture alliance / dpa
Von: Nena Schink und Jan Schäfer

Die Zeichen für den Corona-Gipfel am Mittwoch stehen auf Lockdown-Verlängerung. Wie einer ersten Beschlussvorlage zu entnehmen ist, will Bundeskanzlerin Angela Merkel (66, CDU) nur minimale Öffnungen zulassen.

Wenn es nach Merkel geht, bleibt auch der Handel mindestens bis Ostern dicht.

Friedrich Knapp, Milliardär und Chef der Modekette „New Yorker“ macht das sauer. Er lässt an der gesamten Corona-Politik der Bundesregierung kein gutes Haar:

„Hier wurde alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Ich hätte mir gewünscht, dass man in dieser Beraterwelt der Politik, sich gerade zu diesem Thema Leute aus dem Handel dazu geholt hätte, anstatt ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen“, sagt Knapp zu BILD.

Man habe sich von der Politik alleingelassen, „wie auf einem Basar“ gefühlt, da jeder Mieter mit dem Vermieter individuell um den Mietpreis und Minderungen feilschen musste, so Knapp. Seine Meinung: „Vom Staat geschlossene Läden müssen auch in den Mieten entsprechend behandelt werden.“

Der „New Yorker“-Chef (18 000 Mitarbeiter) berichtet von rund 60 Prozent Umsatzeinbußen durch den Handels-Lockdown seit Mitte Dezember – und dieser Umsatz sei für immer verloren, so Knapp. Durch liegengebliebene Winterware sei schon jetzt ein Schaden „in die hunderte Millionen“ entstanden.

Seine Forderung in Richtung Kanzleramt ist eindeutig: Öffnung der Läden unter Berücksichtigung von Hygiene-Konzepten!

„Der Einzelhandel darf nicht Bauernopfer für eine Politik sein, die es vermasselt Impfstoffe zu besorgen, Testkonzepte zu entwickeln oder die Ältesten der Bevölkerung zu schützen. Ich fordere eine bessere Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und öffentlichem Leben. Die Politik muss jetzt handeln, sonst haben wir eine Handelslandschaft in Deutschland, die nie wieder auf die Beine kommt“, sagte Knapp – dabei nehme er die Corona-Pandemie sehr ernst und habe selbst einen Freund aufgrund einer Covid-Erkrankung verloren.

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Trotz Online-Boom: New Yorker bleibt stationär

Wäre man böswillig, könnte man meinen, Amazon-Chef Jeff Bezos habe den Lockdown angezettelt, „um den Handel außer seinem eigenen platt zu machen“, scherzt Knapp. Trotz des Online-Booms während der Corona-Krise wolle New Yorker aber am stationären Geschäftsmodell festhalten: „New Yorker war einer der ersten Modehändler in Europa mit einem vertikalen Konzept, dass dazu führte, topmodische Ware zu erschwinglichen Preisen anzubieten“,

Online-Tourismus, wie Knapp es nennt, führe selbst deutlich größere Einzelhandelsmarken als New Yorker in die roten Zahlen. Sein Credo: „Da wir dieses für New Yorker nicht wollen, werden wir an unserem stationären Geschäftsmodell festhalten.“

Die Zahlen würden ihm recht geben und auch die Lage des Unternehmens in der Krise. Trotz Corona sei der Bekleidungsriese auf Expansionskurs. Filialen werden man nicht schließen.

Das gesamte Interview mit Friedrich Knapp zum Nachlesen:

BILD: Herr Knapp, wie hart sind Sie vom Lockdown betroffen?

Friedrich Knapp: Wenn man 50-60 % vom Umsatz verliert, sollte man, glaube, ich betroffen sein.

Sie sind neben dem Umsatz für 18 000 Mitarbeiter verantwortlich. Wie geht es Ihnen?

Knapp: Ich mache mir Sorgen, dass unsere Politiker überhaupt nicht wissen, was sie da tun. Mittlerweile häufen sich Warenberge, die vor einem halben Jahr geplant und eingekauft wurden in Milliardenhöhe. Das bringt fast alle Unternehmen im Textilbereich an den Rand des Ruins.

Werden Sie Mitarbeiter entlassen müssen?

Knapp: Dieses hängt davon ab, wie lange man unseren Mitarbeiter nicht arbeiten lässt.

Das Wintergeschäft lief für den Einzelhandel miserabel. Geschönter kann man es nicht ausdrücken. Was passiert mit den nicht verkauften Sachen?

Knapp: Da das Wintergeschäft bis Ende Februar läuft, haben Sie 100 % recht. Denn die letzten 2,5 Monate war in Deutschland alles zu. Diese Ware kann nur noch über den Preis verkauft werden und der Schaden daraus geht jetzt schon in die hunderten Millionen. Bei uns wird nichts vernichtet. Ware aus dieser Zeit wird in der nächsten Wintersaison mit entsprechenden Nachlässen verkauft.

Kann man das verlorene Geschäft wieder aufholen?

Knapp: Der Umsatz ist in dieser Zeit für immer verloren.

Wie bewerten Sie die Arbeit der Bundesregierung ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie?

„,Schlimmer geht’s nimmer‘, war einmal ein Ausdruck in meiner Kindheit. Ich hätte mir gewünscht, dass man in dieser Beraterwelt der Politik, sich gerade zu diesem Thema Leute aus dem Handel dazu geholt hätte, anstatt ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Hier wurde alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen.“

Für viele Händler wächst im Lockdown das Risiko durch hohe Mieten. Wie prekär ist die Lage für New Yorker?

Knapp: Die Lage für New Yorker ist weniger prekär, da wir einer der wenigen Händler weltweit sind, die nach wie vor Expandieren. Dadurch sind unsere Vermieter unseren Argumenten in Sachen Mietreduzierung sehr aufgeschlossen.

Klingt nach harten Verhandlungen. Sollte die Bundesregierung hier eingreifen?

Knapp: Ich würde mir eine vernünftige staatliche Regelung wünschen und nicht eine Situation wie auf einem Basar, wo jeder Mieter mit dem Vermieter um den Mietpreis feilschen muss. Von Staat geschlossene Läden müssen auch in den Mieten entsprechend behandelt werden.

Werden Sie Filialen schließen müssten?

Knapp: Wir werden keine Filialen schließen.

Wie lange kann New Yorker den Lockdown finanziell noch durchhalten?

Knapp: Das hängt von der Länge ab, aber da wir einen langen Atem haben, steht das total im Hintergrund.

Immer mehr Warenhäuser wehren sich gegen die Staatsmaßnahmen und wollen die Öffnung vor Gericht erzwingen. „Es geht ums nackte Überleben“, heißt es. Wie ernst ist die Lage?

Knapp: Die Lage ist noch ernster als all das, was Sie sich im Moment vorstellen können. Wenn hier von über 50 % Pleiten gesprochen wird, ist demnächst plastisch gesehen die Hälfte der Innenstadt dunkel. Wenn das keine ernste Lage ist, dann können wir nur noch über Krieg sprechen. Dann wird es noch ernster.

Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt?

Knapp: Arbeitsplätze in dieser Größenordnung sind mit Sicherheit nicht wieder herzustellen. Das alleine ist für unser Land und das soziale Netz eine Belastung, die es seit dem Krieg nicht gegeben hat. Wenn nicht ganz schnell es zu Öffnungen aller Läden kommt, wird demnächst fast jede Familie von diesem Fiasko betroffen sein, da Folgeschäden durch alle anderen Branchen die als Lieferant fungieren, genauso mit geschädigt werden.

Optimisten sagen, dass sich der Lockdown positiv auf das Onlinegeschäft und damit die vermeintliche Zukunft auswirkt. Wie wichtig ist online für Sie?

Knapp: Wenn man sich die Situation anschaut im Handel, könnte man böswillig meinen, Bezos hat das angezettelt, um den Handel außer seinem eigenen Platt zu machen. Da das die Bevölkerung mit Sicherheit so nicht will, müssen wir uns die Frage stellen: Wer ist für diesen Schaden, der da gerade von Politik hausgemacht herbeigeführt wird, verantwortlich?

Warum sind Sie gegen den Onlinehandel?

Knapp: Unkontrollierter Online-Handel, wie er derzeit stattfindet, ist nicht akzeptabel. Außer wir wollen, dass man unsere Innenstädte und Kultur in dieser Hinsicht zerstört. Hier ist schon seit Langem die Gesetzgebung gefordert. Seit Jahren und Jahrzehnten werden hier keine Steuern bezahlt. Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze im Handel für immer vernichtet. Es kann nicht sein, dass Unternehmen wie Amazon ohne Gewinnabsicht hier den gesamten Handel platt machen.

Welche Forderung haben Sie an die Bundesregierung?

Knapp: Kluge Konzepte wie von Boris Palmer sowas mit einer anderen Mehrwertsteuer zu belegen, werden von etablierten Parteien linkisch belächelt. Das kann und darf so nicht weiter akzeptiert werden, sonst werden wir auch hier in einer Art und Weise vorgeführt, wie es schon die Zigarettenindustrie, die Fast-Food-Industrie und die fast komplette Lebensmittelindustrie mit unseren Bürgern macht. Das können und dürfen wir uns nicht gefallen lassen.

Was würden Sie sich noch von der Bundesregierung wünschen?

Knapp: Die Bundesregierung muss sofort die Läden aufmachen lassen, bewährte Hygienekonzepte gab es schon in der ersten Welle. Wird das nicht passieren, haben wir eine Handelslandschaft in Deutschland, die nie wieder auf die Beine kommt.

New Yorker stand in der Vergangenheit oft in der Kritik, weil die Produktion der Kleidung von Lieferanten übernommen wird. Nicht unüblich in der Modebranche, aber Sie haben nie beantwortet, wo sich Ihre Lieferanten befinden. Was ist der Stundenlohn einer Näherin bei ihren Zuliefern?

Knapp: New Yorker hat Lieferantenverbindungen teilweise seit 40 Jahren. Wir sind mit unseren Lieferanten gewachsen über den gesamten Zeitraum. Gute Lieferantenverbindungen sind auch heute noch ein Know-how, dass man nicht unbedingt jedem Mitbewerber kundtut. Aus diesem Grund gehen wir mit unseren Verbindungen nicht an die Öffentlichkeit.

Wie sind die Arbeitsbedingungen bei Ihren Lieferanten?

Knapp: Alle unsere Lieferanten sind angehalten, keine Kinderarbeit, faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen einzuhalten. Dieses wird regelmäßig durch uns geprüft. Sollte es Verstöße geben, gibt es sofortige Gespräche bis hin zur sofortigen Kündigung der Lieferantenbeziehung. Hingegen gibt es im Online-Bereich Ware, die ungeprüft von Schadstoffen, über Leute wie Amazon unkontrolliert in den Markt findet. Hier kümmert sich kein Mensch drum, geschweige denn eine Behörde.

Sie haben die New Yorker Stiftung gegründet und fördern Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Was bedeutet Ihnen Ihre Stiftung?

Knapp: Unsere Stiftung kümmert sich hauptsächlich um Kinder, die aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen und wenig Unterstützung in unserer Gesellschaft haben. Daher bedeutet uns und unseren Mitarbeitern, diese Stiftung mit ihrer Arbeit überhaupt erst ermöglichen, sehr viel.

Letzte Frage: Tragen Sie und Ihre Familie selbst New Yorker?

Knapp: Meine Kinder tragen alle New Yorker.

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